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Escuchar la palabra de Marichuy

Maria de Jesus' Wort Hören

(Transkript der Rede: https://solicomblog.wordpress.com/2017/10/25/marichuy-im-caracol-oventik-chiapas/)

 

Zufälligerweise war ich genau dann in Chiapas, als sich Maria de Jesus Patricio Martinez im um unabhängigen Zapatisten-Dorf (Caracol) Oventik vorgestellt hat. Das konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.

 

Mit ein paar Freunden meiner Gastgeberin bin ich dorthin gefahren – es war logistisch etwas schwierig, sie zu treffen, da ich wegen einer gemeinen Erkältung 5 Tage lang gar keine Stimme hatte. Telefonieren ging also nur mit der Unterstützung wildfremder Leute, die mir ihre Stimme liehen. Aber die Wildfremden waren natürlich auch zu dem Congreso Nacional de Indigenas unterwegs. Wie bei Seminaren war es den Kongressteilnehmer*innen sofort anzusehen, das sie dazugehörten: Gruppen junger Leute, die mit Rucksäcken an einer Tankstelle warten.

 

So ging es dann mit dem Auto gut eine Stunde in die Berge.

 

Auf dem Weg sahen wir jede Menge Jugendliche und Kinder auf dem Weg durch den Nieselregen zur Schule, teilweise mit jüngeren Geschwistern auf dem Rücken. Fast alle Mädchen in traditioneller Kleidung, die Jungs in Jeans und T-Shirt. Die männlichen Bewohner von San Juan Chamula tragen ihre Tracht nur an Festtagen.

 

Dann kamen wir an: Wir mussten gut einen Kilometer vor dem Eingang nach Oventik parken, da die besten Plätze schon belegt waren und nahe des Eingang eine großflächige Sperrzone eingerichtet war. Als wir Ausstiegen, war ich froh über Regenjacke und -cape und neidisch auf die Gummistiefel des Fahrers. Es nieselte und nieselte, deshalb war der Matsch nicht überraschend. Nach dem Gang zur Cafeteria und zum Donnerbalken waren meine Schuhe und Strümpfe endgültig durchnässt. Nicht witzig bei einer Erkältung. Also auf zum Laden und sich mit Gummistiefeln und dicken Socken ausstatten.

 

Dann haben wir uns einen guten Platz auf einer Zuschauertribüne unter einer Plane gesucht. Dort hieß es dann warten. Am Anfang waren erst wenig Leute da, dann wurden es immer mehr. Viele der Besucherinnen waren Indigenas aus den umliegenden Dörfern in der jeweiligen traditionellen Kleidung. Und zwar in der diesjährigen Mode: Jedes Jahr zu San Sebastian (Januar) und zu San Lorenzo (August) wird ein neues Muster eingeweiht, das dann bis zum nächsten Jahr als Festtagsmode gilt, an anderen Tagen werden die Trachten der Vorjahre getragen. Am sichtbarsten ist das bei den Menschen aus Zinacantan: die Stickereien des Dorfes sind extravagante Blumenmuster, anscheinend waren dieses Jahr offene Rosen (http://viernestradicional.impacto.org.mx/blog/bordados-zinacantan-moda-evolucion/).

 

Nach und nach begann sich das Dorf zu füllen. Erst die Tribünen und der Dorfplatz rund um das Sportfeld und das Blumengeschmückte Podest, dann nach und nach auch die höheren Bereiche. Wir kämpften uns durch zu dem Sportplatz, der von Zapatisten mit Sturmhaube für die Presse freigehalten wurde.

 

Irgendwann, nach stundenlangem warten, fing das Programm an. Zwei DJs sprachen und ein Lied wurde gesungen: „Marichuy es la vocera“ (Marichuy it die Sprecherin). Dann riefen die DJs zu Sprechchören auf.

 

 

VIVAN LA MUJERES, LAS NIÑAS, LAS JÓVENAS Y ANCIANAS DE MÉXICO Y DEL MUNDO

 

VIVAN LOS PUEBLOS ORIGINARIOS DE MÉXICO Y DEL MUNDO

 

VIVA LA RESISTENCIA Y LA REBELDÍA

 

VIVA EL CONGRESO NACIONAL INDÍGENA

 

VIVA EL CONCEJO INDÍGENA DE GOBIERNO

 

VIVA LA VOCERA MARÍA DE JESÚS PATRICIO MARTÍNEZ

 

VIVAN TODAS Y TODOS LOS LUCHADORES SOCIALES DE MEXICO Y DEL MUNDO

 

VIVA LA AUTONOMÍA DE LOS PUEBLOS ORIGINARIOS

 

VIVA EL EZLN

 

 

Das Wort ging herum: Marichuy ist angekommen!

 

Erst liefen Zapatistische Soldaten in zusammengewürfelten Uniformen aus grünen und teilweise blauen Hosen, Uniformhemden, Sturmhauben und Schlagstöcken durch die Gegend. Das rote Halstuch durfte natürlich auch nicht fehlen.

 

Dann kam – endlich! – Marichuy in Begleitung anderer Sprecherinnen.

 

Bis dann alle auf dem richtigen Platz saßen und die Kongressabgeordneten und Eltern der Verschwundenen aus Ayotzinapan sich organisiert hatten, dauerte es noch einmal. Marichuy ist die gewählte Vertreterin der Congreso Nacional Indigena und des Concejo Indigena de Gobierno, der sich aus Abgeordneten aus vielen Indigenen Dörfern und Völkern zusammensetzt. Der CNI hat sie als Präsidentschaftskandidatin vorgeschlagen, und sie wird von verschiedenen Bürgerrechtsbewegung unterstützt.

 

Commandante Jimena begrüßte Marichuy im Namen der Junta de Buen Gobierno del Caracol II de Oventik(Versammlung der guten Regierung).

 

Als erstes sprach Regina Santiago Rodríguez vom Comité Eureka, Mutter von Irma Cruz Santiago, 1977 im“Dreckigen Krieg“ verschwunden.

 

Dann hielt Hilda Hernández, die Mutter von César Manuel González, einem der 43 Schüler der Normal Rural de Ayotzinapa, verschwunden 2014. Diese Gruppe versucht seit Jahren, Informationen über ihre im Laufe von Protesten gegen einen Flughafenbau verschwundenen Kinder zu bekommen. In ihrer Rede ging es vor allem um das Einfordern von Rechenschaft der Verantwortlichen, aber auch um Solidarität zwischen unterschiedlichen Protestbewegungen.

 

Dann sprach Commandante Hortencia aus Oventik. Sie hielt eine ergreifende und stichhaltige Rede über Unterdrückungsmechanismen, aber vor allem um das Brechen mit ihnen. Dabei nahm sie Bezug auf unterschiedliche Merkmale wie Gender, Zugehörigkeit zu den Indigena, Armut, die häufig zu Diskriminierung führen. Sie sagte: „Heute ist die stunde der originalen Völker, die stund der Frauen, der Marginalisierten, der Unterschätzen/verachteten despreciados, der Vergessenen, und es ist die Stunde aller Armen und Ausgenützen in Mexiko, Amerika und der Welt […] Wir wollen keinen Besitzer. Amo Wir wollen DIE FREIHEIT. [...] Die Welt ist sehr groß, und wir passen alle hinein. Das einzige,was nicht mehr hineinpasst, ist das kapitalistische System, weil es alles besetzt/einnimmt und uns nicht einmal mehr atmen lässt. Das schlimmste ist, dass der Kapitalismus nie satt ist, die Tode,die zertörung, das Elend, die Verwüstung. Nein, er will mehr. Mehr Krieg, mehr Tod,mehr Zertörung.“ Ihre Rede war die längste, und das mit gutem Grund: Marichuys Kampagne ist basisdemokratisch und es geht bei den Besuchen in den Caracoles und in anderen Orten auch darum, dass sie zuhört und die Bedürfnisse ihrer Unterstützer*innen mit in ihre Kampagne aufnimmt. (Transkript: https://www.congresonacionalindigena.org/2017/10/19/palabras-la-comandanta-hortencia-nombre-del-ccri-cg-del-ezln-oventik-chiapas-mexico-19-octubre-del-2017/)

 

Als letztes sprach Marichuy selbst. Sie sprach ruhig und deutlich, sie bedankte sich bei allen Vorrednern und wertschätze deren Input. Sie rief auf, die Integration von sexueller und gender-Diversität zu unterstützen. Sie sagte, „Aber gerade weil wir Frauen den tiefsten Schmerz spüren, weil uns die größte Unterdrückung widerfährt, gerade deshalb können wir auch die stärkste Wut spüren […] und diese Wut müssen wir in Organisation umwandeln, um die Macht von Oben abzubauen und mit Bestimmtheit und ohne Angst die Macht von Unten zu konstruieren“

 

Dann denunzierte sie die Sabotage ihrer Kampagne. Sie war seit dem 15. Oktober Präsidentschaftskandidats-Anwärterin. Sie musste 866.593 Unterschriften von Unterstützer*innen sammeln. Dies wurde jedoch deutlich erschwert.

 

Die Mailadresse des Concejo Nacional Indigena hatte keinen Zugang zur der Internetseite des Wahlinstitutes INE.

 

Als sie sich in Altamirano, Ocosingo und Palenque vorstellte, fiel jeweils plötzlich das Internet und Handynetz aus und es gibt immer wieder Probleme mit dem Programm zur Registrierung der Unterstützer*inne. Es lässt sich auf vielen Handys nicht installieren und wenn, dann dauert es mehrere Stunden. Die Registrierung einer Stimme dauert Stunden statt der versprochenen 4 Minuten. Nur mittags reicht das Tageslicht für die Aufnahme eines Fotos und einer Uterschrift mit dem Programm. Die Empfangsbestätigung einer Unterschrift dauert bis zu 24h.

 

Marichuy bat um Unterstützung beim sammeln der Stimmen: „Trotzdem werden wir keinen Schritt zurück gehen. Gemeinsam werden wir den Moment nutzen, den die Geschichte und gibt und wir werden die große nationale Struktur sein, die die Mauern zum einstürzen bringt, die uns unterdrücken, teilen und schwächen. (Trankript: https://www.congresonacionalindigena.org/2017/10/19/palabras-maria-jesus-patricio-martinez-oventic-19-octubre-2017/)

 

Fazit einer Bekannten: „Ich hoffe, dass wir es mindestens bis zur Kandidatur schaffen. Dann wird sich zeigen, dass wir eine Stimme haben. Präsidentin wird Marichuy wohl nicht, dafür haben die Reichen imNorden zu viel Einfluss. Aber wir sind schon jetzt viel weiter, als wir jemals waren. Die Leute müssen merken, dass sie eine Stimme haben, dass sie Einfluss nehmen können.“

 

(Fotos: https://www.centrodemedioslibres.org/2017/10/23/19-oct-fotorreportaje-del-mitin-del-concejo-indigena-de-gobierno-en-oventic-cig-cni-marichuy/)